Der ‘sichere Raum’ hilft einem bei sich selbst zu sein…

Helene und ihr Mann fahren an einem sonnigen Sonntag zu ihrem Sohn, der in einer alpinen Gegend lebt. Das Wetter ist angenehm – warm, aber nicht mehr so heiß wie die Tage zuvor. Helene ist unschlüssig, was sie anziehen soll. Der Weg vom Parkplatz zum Restaurant dauert etwa eine halbe Stunde zu Fuß. Schließlich entscheidet sie sich – und ist zufrieden mit ihrer Wahl.
Ihr Sohn weiß um ihre Sonnenempfindlichkeit und bringt einen großen Schirm mit. Perfekt – so läuft Helene fast die ganze Zeit im Schatten. Die Landschaft ist herrlich. Die Männer unterhalten sich über vergangene Winter in der Gegend und darüber, wer wo schon unterwegs war.
Helene nimmt die Natur intensiv wahr – das Plätschern des Bachs, die Blumen und Gräser. Sie freut sich auf die Terrasse des Restaurants. Für sie und ihren Mann ist es das erste Mal dort, doch ihr Sohn kennt das Lokal gut von früheren Wintersportbesuchen. Die Terrasse bietet einen traumhaften Blick über Weiden und Hügel. Helene bestellt sich ein Glas Champagner, um diesen besonderen Tag zu feiern.
Schon die Vorspeise überzeugt – geschmacklich und optisch. Auch das Hauptgericht ist nach Helenes Geschmack ausgezeichnet. Jeder hat etwas anderes bestellt. Die Gespräche drehen sich zunächst um die Gegend und das Restaurant. Helene hört vor allem zu, denn sie war nur einmal, vor vielen Jahren im Winter, in dieser Region.
Wie so oft in Gesellschaft mehrerer Menschen, schafft sie sich innerlich ihren „sicheren Raum“. Sie möchte das Essen, die Aussicht und den Champagner genießen – ohne Ablenkung. Beim Dessert spricht ihr Sohn Themen an, die der Einzelne kaum beeinflussen kann. Helene hört einfach nur zu.
Auf dem Rückweg zum Parkplatz bemerkt sie, dass sowohl ihr Mann als auch ihr Sohn etwas gereizt wirken. Sie macht sich keine Gedanken. Stattdessen freut sie sich über den Schatten, liest an den Tafeln über die Geschichte der Gegend und lässt sich wieder auf die Landschaft ein.
Zurück am Wohnort ihres Sohnes trinkt Helene ein Glas Wasser auf dem Freisitz, füllt ihre Flasche für die Rückfahrt und beobachtet, dass die beiden Männer völlig erschöpft wirken. Kurzzeitig hellt sich die Stimmung auf, als ein Freund des Sohnes von einem Ausflug zurückkommt und sich mit ihnen unterhält. Doch beim Abschied hat Helene den Eindruck, dass nur sie noch voller Energie ist.
Zuhause angekommen, legt sie sich für fünfzehn Minuten hin und atmet bewusst. Danach macht sie sich eine Kleinigkeit zu essen – ihr Mann hat keinen Hunger – und später schauen beide einen lustigen Film. Mitten im Film, nach einigen Werbepausen, verabschiedet sich ihr Mann ins Bett. Helene ist überrascht. Sie kann es sich nur so erklären: Sie hat sich ihren sicheren Raum erschaffen – und dadurch ihre Energie ganz bei sich behalten.